Die Nähpferdchen

Am 24. April 2013 starben bei dem bisher größten Unfall in der internationalen Textilindustrie mehr als tausend Menschen als die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte. Grund waren mangelnde Gebäudesicherheit und fehlende Sicherheitstandards  für die Beschäftigten. Sie hatten hauptsächlich Kleidung für den Export produziert, unter anderem für europäische Modefirmen wie Primark, Benetton, Mango, C&A und auch deutsche Unternehmen wie KiK oder Adler beziehungsweise deren Zulieferer.

 

Dieser Unfall hat ein Verständnis für das, was hinter der Produktion der Kleidung steht, zumindestens zeitweise in der Öffentlichkeit geschaffen.

 

Industrie und Regierung haben seitdem höhere Sicherheitsstandards in Bangladesch durchgesetzt. Der Preiskampf in der Modebranche verhindert aber weltweite Verbesserungen. Noch immer werden in den meisten Nähfabriken Löhne gezahlt, die nicht zum Leben reichen. So liegt z.B. der Mindestlohn in Bangladesh bei 79,32 €, während der Existenzlohn bei 478,10 € liegt (2020 Asia Floor). Näher*innen erhalten häufig nur 1% des Verkaufspreises. Aber nicht nur Verletzung der Menschrechte und niedrige Arbeitslöhne in vielen Ländern in Ostreuropa und Asien haben die Textilproduktion in ein schlechtes Licht gestellt.

 

Viele Textilien haben schon eine Weltreise hinter sich bis sie im Geschäft liegen.

In Deutschland werden nur 10 % der Kleidung produziert. Das liegt schon an der Produktion der Ausgangsstoffe, z.B. bei Baumwolle ist dies meistens Kasachstan. Baumwollanbau erfordert ein warmes Kima, viel Wasser und Pestizideinsatz. Billige Arbeitslöhne und geringe Umweltstandards sowie Subventionen bringen die Baumwolle zur Weiterverarbeitung in Schwellenländer (Länder, die auf dem Weg vom Entwicklungsland zum Industrieland sind). Eine Jeans ist ein klassisches Beispiel dafür. Vom Baumwollanbau durchläuft sie häufig 10 Stationen bis sie in den Geschäften der Industrieländer liegt – da wird sie getragen. Ihre Reise tätigt die Jeans in der Regel auf dem Schiffs- und Landweg, also mit Containerschiffen und LKWs. Das verbraucht Ressourcen wie z.B. Erdöl (auch Schweröl für die Containerschiffe). 

 

Bleiben wir bei der Jeans und schauen uns einmal die Produktionsschritte an.

Bekannt ist die Jeans durch das robuste Material, die Auswaschungen und ihre Farbe, ursprünglich das Indigo Blau. Geschaffen wurde die Jeans von Levi Strauss um 1850, aus Deutschland, der sich nach San Francisco als Goldschürfer aufmachte, aber sein Geschäft in der Herstellung von Arbeitskleidung erkannte, den späteren Jeans. Der Stoff der damaligen Jeans kam aus Frankreich, Nimes, der Farbstoff das Indigo aus der Indigo-Pflanze, einer in den tropischen und subtropischen Gebieten wachsende Schmetterlingsblütlerart.

 

Auch Ihr kennt bestimmt den Begriff „Blau machen“, der von dem freien Tag der Färber stammt, denn Indigo färbte zunächst gelb und wurde durch Oxidation blau und hierfür war ca. 1 Tag in der Sonne nötig.

 

Heute wird Indigo chemisch hergestellt. Bei der Färbung der Stoffe entstehen schwefelhaltige Abwässer, die nicht selten unbehandelt in die Flüsse abgeleitet werden. Umweltstandards in Asien und Osteuropa entsprechen meistens nicht unseren. 

 

Auch das nachträgliche Bearbeiten der Fasern (ausrüsten) ist kritisch zu betrachten, auch wenn der Used-Look heute zum Teil durch eine umweltfreundlichere Laser-Technologie geschaffen wird, statt durch chemische Anwendung. Chlor und Kaliumpermanganat, das zum Bleichen benötigt wurde und zum Teil noch wird, sind hochgiftig, Sandblasting (Sandstrahlen) ist stark gesundheits- und meistens auch umweltschädigend.

 

Früher gab es diesen Produktionsschritt nicht:

Der Jeans selbst den Used -Look durch Tragen zu verleihen galt als cool und Löcher stellten sich von selber ein.

 

 

Fazit:

 

Am Ende des Herstellungsprozesses hat die Jeans etwa 50.000km zurückgelegt und dabei 8000l Wasser verschmutzt. 

 

Hinzu kommt noch ein CO2-Ausstoß von 30kg pro Jeans, welcher durch die riesigen Distanzen zwischen den Fertigungsstätten zustande kommt. 

 

Die Herstellung dieser Jeans hat viele natürliche Ressourcen verschwendet in Gebieten die uns zwar nicht betreffen, aber dies geschieht trotzdem auf unsere Kosten. 

 

Ebenso betroffen sind die Arbeiter, die unter schlechten Sicherheitsbedingungen arbeiten und trotzdem am Existenzminimum leben. Sie arbeiten viel und verdienen wenig und all das geschieht damit bei uns die Jeans billig und die Unternehmensgewinne hoch sind. Bislang berührte das die Konsumenten in den Industrieländern wenig – aber das Umdenken beginnt mit zunehmendem Umweltbewusstsein allmählich. 

 

FLYER: Die Jeans

  

Die Jeans ist also ein sehr wertvolles Produkt – was ihrer Nutzung nicht entspricht - sie ist heute als Allrounder nicht mehr weg zu denken.

Sie nicht mehr zu kaufen, ist nicht denkbar. 

 

Deshalb macht es eher Sinn, den eigenen Kleiderkonsum zu hinterfragen und die Jeans möglichst lange zu nutzen. 

 

Es beginnt mit dem gezielten Einkauf:

Brauche ich überhaupt ein neue Jeans?

Kommt vielleicht auch eine gebrauchte – für mich neue Jeans - in Frage?

 

 

Wenn ich eine Neue kaufe: 

Allgemein gilt: Klassiker werden länger getragen, als top modische Modelle, die häufig nur eine Saison getragen werden.

Jeans nicht zu klein kaufen: Zu enge Jeans verschleißen schnell an den Innenseiten Oberschenkel.

Bei Billigjeans ist die Gefahr groß, dass sie auf Kosten von Mensch und Umwelt produziert werden.

Aber auch bei Markenjeans ist man nicht sicher, ob faire Arbeitsbedingungen und umweltschonende Verfahren bei der Produktion stattfinden werden. Siegel können Auskunft über faire Produktion und eingesetzte Materialien geben. Hierbei punktet Biobaumwolle durch wesentlich geringeren Pestizideinsatz und Wasserverbrauch. 

Manche Hersteller haben Antwort gegeben auf die Frage „Who made may clothes?“ von Fashion Revolution. Über einen QR – Code kann man den Weg der Jeans nachvollziehen.  

 

Aber auch beim Gebrauch kann man etwas man dafür sorgen, dass die Jeans länger getragen werden kann:

Weniger waschen und stattdessen einmal Lüften!

Eine Reparatur einer Jeans lohnt sich, wenn ihr einmal überlegt, dass ihr ein vielgereistes Luxusgut tragt!

Kleine Löcher direkt flicken, bevor sie ausreißen. Es gibt Flickanleitungen, die die Jeans noch peppiger machen können.

Einen neuen Reißverschluss kann ein Schneider*in einnähen, wenn ihres nicht schafft. 

 

Die diesjährige Europäische Woche der Abfallvermeidung steht unter dem Motto „Nachhaltige Textilien - Wiederverwendung statt Verschwendung!“ 

> Abfallvermeidung ist das oberste Gebot der Abfallwirtschaft!

 

Wir nehmen diese Woche zum Anlass, das Thema Textilien mit Aktionen in den in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken! 

Die Reparatur von Kleidung/ Schuhen ist der am meisten praktizierte Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit aber in Vergessenheit geraten und dies gerade bei der jüngeren Generation!

Deshalb sind wir heute hier!

 

Wir wollen Euch die Fähigkeiten mitgeben, eure Jeans später einmal selbst zu flicken! 

Machen wir den Anfang! 

 

Hinweis:

 

Mit unseren Aktionen zur Europäischen Woche der Abfallvermeidung 2022 setzen wir uns gleichzeitig für die Nachhaltigkeitsziele der UN ein!

 

Es wird in Kürze unser Begleitheft „Zu wertvoll für eine Saison - Fakten und Tipps zum nachhaltigen Konsum von Kleidung“ herausgebracht.

 

-        M. Hagen-Dittmarova